Missionshaus mit Musik

Kristeligt Dagblad, 7. August 2001

Die Musik kommt einem entgegen, wenn man sich dem ehemaligen Missionshaus in Ejerslev auf dem nördlichen Mors nähert, In der Stille des Vormittags ist es nur das Geräusch der Schritte, das zwischen den eigenen Ohren und der Musik ist. Man kommt an den zwei "Danebrog"-Flaggen am Eingang vorbei und wird überwältigt vom Nahkontakt mit dem Wohlklang. Die Konzentration ist groß bei den Musikern. Dies ist die letzte Probe vor der Premiere am Abend, einem Konzert in der Kirche von Skagen.

14 junge Streicher, alles Mädchen aus Deutschland, Italien, Bulgarien und Dänemark, machen hier Musik unter der Leitung des deutschen Konzert-Geigers Jochen Brusch, dem das Haus gehört und der es normalerweise als Ferienhaus benutzt. Dies ist das erste, aber wohl nicht das letzte Mal, dass er hier einen Musikkurs hält.

Während des Aufenthalts geben die Streicher fünf Konzerte im dänischen Sommerland. Auf dem Programm stehen einige der beliebtesten Werke von Johann Sebastian Bach und Antonio Vivaldi. Die Solopartien werden von elf verschiedenen Personen gespielt. Die Madchen werden vom Bruder des Dirigenten, dem Cellisten Henning Brusch, und auf dem Kontrabass vom Volksmusiker und Musiklehrer Morten Stuhr, Ranum, ergänzt.

Die meisten Madchen sind zwischen 18 -19 Jahre alt. Ein Teil von ihnen kommt wie Jochen Brusch aus der süddeutschen Universitätsstadt Tübingen, wo sie seine Schülerinnen sind. Andere der Mädchen haben Kontakt mit Brusch durch seine Kurse und Konzerte in ihren jeweiligen Heimatländern. Allen gemeinsam ist ein hohes musikalisches Niveau,


Ein Privileg
Jungen im gleichen Alter wie die teilnehmenden Mädchen sind - laut Jochen Brusch - generell nicht so fleißig und sind daher mit ihrem Spiel nicht soweit gekommen. Dies ist die Erklärung dafür, dass hier keine gleichaltrigen Jungen repräsentiert sind. Aus dieser Not eine Tugend zu machen, ist jedoch keine Kunst. Das Mädchenorchester hat "seinen ganz eigenen Charme" findet Brusch. Er erzählt dass Vivaldi selbst ein ähnliches Orchester in Venedig leitete. "Oh, habe ich gedacht, es muss für die Mädchen in Vivaldis Orchester wunderbar gewesen sein, mit so einem Maestro zu arbeiten. Seit ich selbst ein Mädchen-Orchester leite, weiß ich, dass die Freude gegenseitig gewesen sein muss."
"Für mich ist dies hier ein Experiment, das Haus ist ja eigentlich nicht dafür berechnet, dass hier 14 Mädchen wohnen sollen. Es ist wie ein großes Lager mit Schlafsäcken, Matratzen, Geigenkästen, Notenständern und persönlichen Dingen."

"Aber die Mädchen sind gut zueinander. Es herrscht Herzlichkeit unter ihnen. Eines der Mädchen hat mir gesagt, dass die Stimmung so entspannt sei, weil keine Jungen dabei wären. Sobald beide Geschlechter vertreten sind, ändert sich etwas."

"Ich habe mich darum bemüht, dass die Atmosphäre nicht 'wettbewerbsmäßig' sein soll. Es ist natürlich klar, dass sich nicht alle Vierzehn auf dem gleichen Niveau befinden. Und es hat mich gefreut zu beobachten, wie einige der Mädchen anderen helfen, die vielleicht mit bestimmten Passagen noch Schwierigkeiten haben. Auf diese Art üben sie zusammen."

Es wird intensiv gearbeitet. Man fängt zwischen 9.00 und 9.30 an und macht bis 12.00 weiter. Dann gibt es Mittagessen bei der Nachbarin Stine Kudsk.. Jeden Tag macht sie warmes Mittagessen ("sehr lecker!!!"). Die Proben gehen nachmittags weiter und abends wird Kammermusik gespielt. Kürzlich war es ein Streichsextett von Johannes Brahms, das zusammen mit dem Feuer im Ofen um die Wette glühte.

"Ich unterrichte gerne," sagt Jochen Brusch. "Und man muss es gerne tun, um ein guter Lehrer zu sein. Einige Musiker fassen es fast so auf, als ob ihnen die Schüler die Zeit stehlen. Für mich ist es auch 'gebend' Lehrer zu sein. Ich fasse es als etwas Schönes auf, 'Weiterzugeben'. Es entsteht eine Vertrautheit mit jedem einzelnen Schüler, wenn man mit ihr oder ihm jede Woche eine dreiviertel Stunde zusammen ist. Zu unterrichten hat eine ausgesprochen spirituelle Dimension."

Der 45-jahrige Jochen Brusch spricht fast so gut dänisch wie ein Däne. Sein enger Kontakt zum Land entstand, als er 1974 den Unterricht des Geigers Anker Buch aufsuchte. Er ist an den Musikhochschulen von Duisburg, Essen und Hannover ausgebildet worden und hat außerdem das Solistendiplom vom "Royal College of Music", London. Während der Jahre 1980-86 war er Geiger im "Herning Stadstrio", später wurde er Konzertmeister in Essen. Er gibt in vielen Ländern Konzerte, hierunter auch in Dänemark, und er hat eine lange Reihe sehr gelobter CDs mit über 100 verschiedenen Werken herausgebracht.


Positiv überrascht
Das Musiktreffen besteht nicht nur aus Musik, sondern ist auch freies Zusammensein in der großartigen Landschaft unter "einem der größten Himmelsräume der Welt", wie es der Mors-Verfasser Knud Sørensen in einem seiner Gedichte ausdrückt.

"Es ist toll hier zu sein", bricht es aus Anne Giödesen aus Kolding hervor. "Man lernt, zusammenzuspielen. Unser Orchester erinnert am meisten an ein Kammerorchester, wo man wirklich aufeinander hören und sich gut aneinander angleichen muss. Ein Kammerorchester ist intimer als ein Sinfonieorchester. Ich bin sehr positiv überrascht, dass das Niveau so hoch ist", erzählt Anne Giödesen.

Die meisten der Mädchen haben einen bewegten Alltag, und der Aufenthalt im Frieden Nordwest-Jütlands hat auf sie einen tiefen Eindruck gemacht: Die Stille, das Licht und der Sternenhimmel über dem Limfjord nehmen sie mit nach Hause. Außer all dem Anderen..

(Artilkel von Claus Grymer (übersetzt von Jochen Brusch, 12.08.01)


jochenbrusch.de